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Bär und Drache
In einem "Handlungskatalog" für das deutsche Bundeskanzleramt sagen die Autoren aus Bundeswehr und Wirtschaft eine "drohende bewaffnete Auseinandersetzung" mit Russland und China voraus. Ursache seien kommende Energieengpässe, die zu schweren Verwerfungen innerhalb der EU und in der Bundesrepublik sowie zu einer "bisher einmalige(n) Staatskrise" mit "gewalttätigen Ausschreitungen und Demonstrationen" führen könnten. Zu befürchten sei, dass es einer "breit organisierten Bürgerinitiative" zukünftig gelingt, die Berliner Energiepolitik "auszuhebeln". Auftraggeber des "Handlungskatalogs" mit politischen Empfehlungen für die Bundesregierung ist der Kanzleramtsminister de Maizière. Er ist Beauftragter der Bundesregierung für die Nachrichtendienste. Die "Auftragsarbeit im hochaktuellen Umfeld" entstand zwischen Januar und Juni 2008 an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) und widmet sich auch den Gefahren "von innen", berichtet ein Teilnehmer. Zuarbeit sei von "hochklassigen" Spezialisten geleistet worden, die den "letzten Schritt zur Volljährigkeit Deutschlands" anmahnen - Deutschlands globale Kriegsfähigkeit.
Das für das Bundeskanzleramt entworfene Kriegsszenario ist Ausgangspunkt der Studie.[1] Demnach werden Russland und China in absehbarer Zukunft eine "strategische Energieallianz" schließen. In der Folge fließen russisches Öl und Gas nur noch in geringem Maß in den Westen, heißt es. Auch afrikanische Quellen versiegen, da "China (...) durch geschickte Vertragsgestaltung mit Rohstofflieferanten in Afrika" seine Energieversorgung vervollständigt. Nationale Alleingänge von EU-Mitgliedern werden die deutsche Position erschweren, prognostiziert die Studie: "Die verschiedenen Nationalstaaten treten als Einzelpartner an die großen Energielieferanten heran und buhlen um die Energiereserven." Um ein völliges Auseinanderdriften der EU zu verhindern, fordert das Bündnis von Russland und China die Auslieferung größerer Rohstoffmengen in den Westen - offenbar unter Androhung eines Krieges. Zwar geht die "Russisch-Chinesische Föderation" daraufhin einen "Ressourcenpakt" mit dem Westen ein, beugt sich also den Gewaltabsichten. Jedoch werden die vereinbarten Liefermengen der deutschen Bundesregierung nicht ausreichen, meinen die Autoren. Deswegen "nimmt (Berlin) das Risiko in Kauf", den Ressourcenpakt mit Russland und China "indirekt in Frage zu stellen". Ob sich die Gegnerstaaten erneut erpressen lassen oder der militärischen Auseinandersetzung nicht ausweichen, bleibt offen. An dieser Stelle bricht das Szenario der Auftragsstudie für das Bundeskanzleramt ab.
Wehrpropaganda
Zu den Teilnehmern der Autorenrunde gehören Vertreter des Streitkräfteunterstützungskommandos (Köln), des Führungszentrums Luftwaffe/Luftwaffenführungskommando (Köln), des Deutschen Bundeswehrverbandes, des Bundesministeriums des Innern (Bundeskriminalamt/Technisches Hilfswerk THW), des Auswärtigen Amtes (AA) sowie Repräsentanten mehrerer deutscher Konzerne. Laut Bundesakademie entsandten die Bayer AG (Leverkusen), die Deutsche Bahn AG (Berlin) sowie der Rüstungskonzern EADS hochrangige Firmenangehörige. Die "fachlich kompetente(n) Führungskräfte" aus "Wirtschaft, Wissenschaft und Medien" sollen als Multiplikatoren die "Akzeptanz" der deutschen Militärpolitik in der Bevölkerung befördern und in der Öffentlichkeit "die erforderliche Meinungsführerschaft" übernehmen.[2] Diese Aufgabenstellung umschreibt Maßnahmen deutscher Wehrpropaganda, die seit Gründung der Bundesrepubklik auch mit geheimen Mitteln betrieben wird.[3]
Zugriff
In der Tradition deutscher Geopolitik vor und während des Zweiten Weltkriegs [4] pflegt die Studie biologisch-naturhafte Anschauungen. Russland und China werden als vertierte Wesen dargestellt ("Bär und Drache"), denen Deutschland in einer geographischen "Zwischenposition" ausgeliefert sei. Diese natürliche Lage ("zwischen Rußland und den USA") entspricht dem bekannten NS-Bild von "Mitteleuropa", über dessen Teilstaaten Deutschland herrschen müsse. Hieß es damals, das Deutsche Reich benötige einen afrikanischen "Ergänzungsraum" [5], um seiner Rohstofflage gerecht zu werden, so heißt es in der aktuellen Studie, Afrika verfüge über "Energieversorgungsräume", auf die sich der "Zugriff" [6] der Bundesrepublik Deutschland und der EU konzentriere.
Ellipse
Wie in den berüchtigten Arbeiten des Geopolitikers und NS-Funktionärs Karl Haushofer überformt der Berliner "Handlungskatalog" die machtpolitischen Absichten mit scheinbar sachlichen Darstellungen aus der geographischen Formenwelt. So wird in mehreren Grafiken eine "Strategische Ellipse" entworfen, deren Grenzen von Nordsibirien bis zum Horn von Afrika reichen. Im Westen sind weite Teile der Türkei einbegriffen, im Osten sind Territorien der Volksrepublik China tangiert. In der "Ellipse" ortet der Katalog 71 Prozent der konventionellen Welterdölreserven und 69 Prozent der Weltgasreserven. Die "wachsende Konzentration" der in der "Ellipse" lagernden Rohstoffe gebe zu Befürchtungen Anlass und lasse das Risiko einer schweren Energiekrise zunehmen, heißt es in der Ausarbeitung.
Weltkrieg
Die Aussage, die sich auf Energiereserven Dritter bezieht und die Energieproduktion in den westlichen Ländern ebenso unberücksichtigt lässt wie das Verhältnis zu ihrem eigenen Energieverbrauch (über 50 Prozent für 20 Prozent der Weltbevölkerung), ist spekulativ und beliebig. Die in der "Ellipse" versteckte Botschaft betrifft Territorien fremder Staaten und deren Eigentum. Ihr Verfügungsrecht über die eigenen Rohstoffe wird mittelbar in Frage gestellt und einem strategischen Anspruch auf Teilhabe unterworfen. Dass dieser Anspruch selbst vor einem Weltkrieg nicht zurückschreckt, offenbart das Eingangsszenario der Studie.
Wir können es
Wie ein Teilnehmer berichtet [7], wurde in der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (Berlin-Pankow) "ein offenes Wort" gesprochen. Dazu gehörte der "überaus beeindruckende" Vortrag eines Wissenschaftlers über "zu viel Frieden in Deutschland". Ein anderer "hochklassiger, sehr erfahrener" Referent mahnte, "den letzten Schritt zur Normalisierung" der Bundesrepublik zu gehen: Internationale Interessendurchsetzung "bei einsatzbereitem vollem Instrumentarium einer souveränen Nation". Zu den Instrumenten gehört die globale Kriegsfähigkeit: "'Wir können und trauen uns nicht, andere trauen sich, doch sie können es nicht'."
[1] BAKS: Energiesicherheit 2050. Eine ressortübergreifende Herausforderung; Berlin, Juni 2008[2] BAKS: Gründungsgeschichte/Grundforderung des Bundessicherheitsrates. S. auch Strategic Community, In die Zange nehmen und Ein neues Machtzentrum[3] s. dazu Deutscher Weltkrieg, Bundeswehr: Psychologischer Krieg, Propaganda-Lilli, Neues Steuerungsniveau und Journalisten-Forum[4], [5] s. dazu "Mitteleuropa": Deutscher "Lebensraum", "Nachgiebige und biegsame deutsche Hegemonie", Aus der Tiefe des Raums und Herrscher im Raum[6]
[7] Eugen Wollfarth: Rede zum Abschluss des Seminars für Sicherheitspolitik 2008, 27.06.2008
http://www.baks.bundeswehr.de/portal/PA_1_0_P3/PortalFiles/02DB040000000001/W27GDKGN204INFODE/Rede+des+Seminarsprechers+_2_.pdf?yw_repository=youatweb
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BAKS: Energiesicherheit 2050. Eine ressortübergreifende Herausforderung; Berlin, Juni 2008
http://www.baks.bundeswehr.de/portal/PA_1_0_P3/PortalFiles/02DB040000000001/W27G6DCL091INFODE/Suea280508+neu+Internet.pdf?yw_repository=youatweb
Quelle:
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57316
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