Mittwoch, 30. Juli 2008

Vom Osama zu Obama

From Gedanken eine...


Vom Osama zu Obama

Da war zuerst das Phantasma des allgegenwärtigen Osama bin Laden. Zwar weiß bis heute niemand, ob der Mann im Jahre 2001 überhaupt noch existiert hat, und ob er heute noch unter den Lebenden weilt. Aber unter diesem Gesicht, verbunden mit der phantastischen Erzählung von einer sagenhaften Weltverschwörung von Al Quaida, wurde in den folgenden Jahren der Mittlere Osten zusammengeschlagen, dass es so seine Art hat. Ohnmächtig die Fäuste ballend, mußten die Bürger in den zivilisierten Ländern diesem Verbrechen an der Menschheit und Menschlichkeit zusehen.

Heute, im Sommer 2008, sind etwa 1 Million unschuldige Zivilisten in einem Todesgürtel von Irak bis Afghanistan durch diese kriegerischen Handlungen umgekommen.

Die „Warmonger“, die Kriegstreiber in den USA haben ein Imageproblem: George Bush der Jüngere ist als Verkäufer des Krieges verbraucht und in der Öffentlichkeit – egal ob in den USA oder im „Rest“ der Welt – absolut unten durch. Und der alte Kriegshaken und Vietnam-Haudegen John McCain ist vielleicht doch nicht so zugkräftig, dass er die Wahlen im November für sich entscheiden kann.

Und da kommt ER: Barack Obama. Ein Strahlemann mit dem Image, einer ethnischen Minderheit anzugehören, der man in den USA bis 1965 weder Menschen- noch Bürgerrechte zuerkennen wollte. Beladen wird Obama mit dem Mythos, kraft persönlicher Ausstrahlung als charismatischer Führer alles besser zu machen als seine Vorgänger. Dabei wird gar nicht mehr gefragt, was denn dieser Obama eigentlich anders machen will als sein Vorgänger. Jeder träumt sich seinen eigenen Obama zurecht. Ein Supermann, der die Bösen in die Schranken weisen wird.

Nun, es gibt in den USA mächtige Kreise, die zur Mäßigung und zu sensiblerem Umgang miteinander aufrufen. Beispiel Außenpolitik: der einst so allmächtige Council on Foreign Relations hat in unzähligen Denkschriften dazu aufgerufen, den Iran nicht abzustoßen, sondern als Partner in ein mittelasiatisches Sicherheitsnetz einzubinden. Ist also Obama vielleicht ein Mann des CFR und seiner Freunde? Heißt: „Yes, we can!”, jawohl, wir entschärfen die Spannungen, und kehren zur erfolgreichen indirekten Herrschaft des Kapitalismus zurück?

Denkste Pustekuchen. Obama tritt vor der aggressiven Israel-Lobbyvereinigung AIPAC auf und verspricht kriegerisches Handeln gegen den Iran. Obama ist nur deswegen für einen geordneten Rückzug aus dem Irak, damit die freiwerdenden Truppen, zusammen mit neu hinzugepreßten Truppen aus Europa, umso aggressiver in Afghanistan auftreten können. Ja, sogar vor einem Krieg gegen/in Pakistan will Obama nicht zurückscheuen, wie er in der New York Times vom 14.7.08 verkündete.

Ja, wir können es ändern. Nämlich den Krieg in Afghanistan radikalisieren. Noch mehr Militär in dem nun schon seit 30 Jahren kriegsgeplagten Afghanistan, heißt noch mehr Widerstand. Die ewige Eskalationsschraube – und sie dreht sich doch: „Die Gegenwart und die Aggression von Ausländern haben nichts anderes bewirkt als den Widerstand zu einen, der jetzt Warlords mit einschließt, die früher auf der Lohnliste der CIA standen“ So urteilt John Pilger, der über Obama sagt: „Barack Obama ist der amerikanische Blair. Dass er geschmeidig vorgeht und ein Schwarzer ist, spielt keine Rolle. Er ist ein Teil des andauernden, ungezügelten Systems, dessen Vortrommler und Jubeltruppen, dier niemals sehen – oder: nicht sehen wollen – die Folgen von 500 Megatonnenbomben, die unbeirrbar auf Matsch, Stein und Strohhäuser fallen.“

Und der US-amerikanische Publizist Mike Whitney befindet über Obamas Auftritt in Israel: „Obama folgt dem eingeschlagenen Pfad zu Hundert Prozent, und das heißt: unerschütterliche Unterstützung für das israelische und zionistische Projekt. Sein Ausflug nach Israel beweist, dass er ein raffinierter Politiker ist, also von Kopf bis Fuß frei von Charakter. Ist das die ‚Hoffnung, an die wir glauben können’?“

Der kanadische Journalist Eric Margolis sagt in der Toronto Sun: „Es ist Besorgnis erregend zu beobachten, wie sich Obama dem Blitz der Kriegspropaganda betreffs Afghanistan unterwirft, und die irreführende Wortwahl von George Bush über Terrorismus übernimmt.“

Auch der deutsche rechtskonservative Transatlantiker Michael Stürmer diagnoszierte am 24.7.08 in einem Deutschlandfunk-Interview als „unabhängiger Experte“ in dankenswerter Offenheit, dass die Kriegsanspannungen unter einem Präsidenten Obama eher zunehmen werden. „Die Europäer“ werden wohl unter Obama noch mehr Soldaten nach Afghanistan entsenden müssen, und der deutsche Steuerzahler noch tiefer in die Tasche greifen, um einen Krieg zu bezahlen, der die deutsche Sicherheit massiv gefährden wird. In zweierlei Hinsicht gefährden: erstens wird es unweigerlich irgendwann zu terroristischen Racheaktionen auf deutschem Territorium kommen. Zweitens werden China und Russland auch nicht ewig tatenlos zusehen, wie auf ihre Kosten eine Frontbegradigung vom Horn von Afrika bis zum Hindukusch gegen sie selber vorgenommen wird.

Dass die Menschen an der Siegessäule dem afroamerikanischen Charismatiker zujubeln, ist menschlich verständlich. Es ist sogar davon auszugehen, dass viele Menschen, die dort anwesend waren, von den Abgründen des Obama schon gehört haben. Die Propagandashow war ja als „private Veranstaltung“ deklariert worden. Auf diese Weise konnten grundlegende Elemente der Demonstrationsfreiheit ausgeschaltet werden. Erlaubt waren auf dem Gelände der Obama-Show nur Jubelplakate. Den Besuchern blieb also nichts anderes übrig, als ihre Meinung durch Beifallklatschen oder Manifestationen der Ablehnung kundzutun. Laut Zeitungsberichten haben die Leute geklatscht, wenn Obama ein Kehrtwende in der Umweltpolitik einforderte. Sie blieben kühl, als Obama die Bush-Phrasen vom „Kampf gegen den Terror“ sich zu eigen machte.

Man sollte also die 200.000 Kundgebungsteilnehmer nicht als Obama-Fans vereinnahmen. Nach wie vor sind zwei Drittel der deutschen Bevölkerung gegen den „War on Terror“. Daran wird auch Obamas Einseifungsoper nichts ändern können.

Wir sollten die Zeit nutzen, um eine klare eigenständige europäische Position herauszuarbeiten. Und das heißt: Zivilpolitik statt Eskalation des Militarismus.

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